Pflegekräfte stoßen bei der Arbeit regelmäßig auf komplexe rechtliche Dokumente wie Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Diese Dokumente spielen eine zentrale Rolle für die Versorgung, Entscheidungsfindung und Wahrung der Patientenrechte. Für Pflegekräfte ist es wichtig, die Grundlagen dieser Regelungen zu verstehen. Denn ihr Wissen trägt maßgeblich dazu bei, die Wünsche und Rechte der Patient(inn)en zu respektieren und eine qualitativ hochwertige Pflege sicherzustellen.
Was ist eine Patientenverfügung?
Die Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung einer Person, in der sie festlegt, welchen medizinischen Maßnahmen sie im Falle ihrer Einwilligungsunfähigkeit zustimmt oder welche sie ablehnt. Sie dient dazu, den eigenen Willen auch dann durchzusetzen, wenn man selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. In der Regel geht es darin um die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen. Diese können allerdings nicht pauschal abgelehnt werden. Die medizinischen Behandlungen, die abgelehnt werden und die Situationen, in denen sie abgelehnt werden, müssen konkret beschrieben werden. Trotzdem kann die Auslegung im Fall der Fälle schwierig sein und zusätzliche gerichtliche Prüfungen erfordern.
- Verbindliche Patientenverfügung: Diese Form muss strenge Formvorschriften erfüllen. Dazu gehören eine umfassende ärztliche Aufklärung über die medizinischen Konsequenzen, eine schriftliche Abfassung und eine Beglaubigung durch Notar, Rechtsanwalt oder rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen oder eines Erwachsenenschutzvereins. Wird diese Form eingehalten, sind Ärzte und Pflegepersonal verpflichtet, den festgelegten Willen umzusetzen, sofern dieser den aktuell gültigen Gesetzen entspricht.
Eine Patientenverfügung verliert nach 8 Jahren ihre Gültigkeit, sofern sie nicht erneuert wird. Ausgenommen von dieser Gültigkeitsdauer sind nur Patient(inn)en, die aufgrund mangelnder Entscheidungsfähigkeit zu einer Erneuerung nicht mehr fähig sind. In diesem Fall gilt die Patientenverfügung auch über die Dauer von 8 Jahren hinaus.
- Unverbindliche/Beachtliche Patientenverfügung: Hierbei handelt es sich um eine niederschwelligere Form, die nicht rechtlich bindend unterzeichnet wurde oder nicht alle Vorschriften erfüllt bzw. abgelaufen ist. Sie enthält die Wunschvorstellungen des Patienten oder der Patientin, ist jedoch nicht zwingend bindend. Sie dient den behandelnden Teams als wichtige Orientierungshilfe bei medizinischen Entscheidungen, wenn keine verbindliche Verfügung vorliegt. Da eine verbindliche Patientenverfügung aufwendig ist und immer wieder erneuert werden muss, wird sie nur selten erstellt. In Österreich haben nur etwa 4 % der Bevölkerung eine verbindliche Patientenverfügung. Dies ist vor allem bei Menschen mit bestehenden Erkrankungen sinnvoll, die schon genau wissen, was auf sie zukommt und was sie ablehnen. Unverbindliche Patientenverfügungen überlassen die endgültige Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen dem Arzt/der Ärztin zusammen mit bevollmächtigten Vertretern. Ärzte/Ärztinnen und Pflegepersonal sind dazu verpflichtet, den mutmaßlichen Patientenwillen zu wahren. Im Zweifelsfall wird immer für lebensverlängernde Maßnahmen entschieden.
Besonderheiten in Notfällen: Im akuten Notfall dürfen medizinische Maßnahmen ohne vorherige Berücksichtigung der Patientenverfügung durchgeführt werden, wenn der Patientenwille nicht rechtzeitig festgestellt werden kann und sofortiges Handeln erforderlich ist, um das Leben oder die Gesundheit des Patienten oder der Patientin zu erhalten. Sobald jedoch Klarheit über eine gültige Patientenverfügung besteht, ist diese unverzüglich zu beachten.
Dokumentation in ELGA: Patientenverfügungen können seit 2019 in ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) eingetragen werden. Dadurch sind sie österreichweit für behandelnde Ärzte und Pflegeeinrichtungen rasch abrufbar. Pflegekräfte sollten daher bei der Aufnahme prüfen, ob eine Patientenverfügung in ELGA dokumentiert ist und gegebenenfalls die zuständigen Ärzte informieren.
Auch im Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte und des österreichischen Notariats können Patientenverfügungen abgespeichert werden. Mitarbeiter/innen in Gesundheitseinrichtungen können diese Register online abrufen.
Was ist eine Vorsorgevollmacht?
In Österreich wird die Vorsorgevollmacht durch das Erwachsenenschutzgesetz geregelt. Im Gegensatz zur gesetzlichen Erwachsenenvertretung wird hier frühzeitig selbst bestimmt, wer im Notfall handeln soll. Die Vorsorgevollmacht ist ein rechtliches Instrument, mit dem eine Person für den Fall der eigenen Entscheidungsunfähigkeit eine oder mehrere Vertrauenspersonen bevollmächtigt, Entscheidungen in ihrem Namen zu treffen. Diese Entscheidungen können nicht nur medizinische Maßnahmen, sondern auch finanzielle Angelegenheiten, Wohnsituation, Behördenwege und sonstige persönliche Belange betreffen. Die Vorsorgevollmacht kann dabei breit angelegt sein oder nur auf ganz bestimmte Bereiche eingeschränkt werden. Die bevollmächtigte Person (in der Regel eine nahe verwandte Person) muss sorgfältig ausgewählt werden, da sie im Ernstfall weitreichende Verantwortung übernimmt. Auch die Vorsorgevollmacht muss bei einem/einer Notarin/einem Notar, einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt oder vor einem Erwachsenenschutzverein unterzeichnet werden, um rechtlich bindend zu sein. Vorsorgevollmachten sind im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert. Gesundheitseinrichtungen haben keinen direkten Zugriff auf dieses Register. Sie können den Zugriff auf Dokumente allerdings vor Gericht beantragen.
Was passiert, wenn keine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vorliegt?
Im Notfall haben enge Verwandte die Möglichkeit, sich im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis als gesetzliche Vertreter registrieren zu lassen. Dies müssen sie tun, bevor sie Entscheidungen für eine andere Person treffen dürfen. Gibt es keinen bevollmächtigten Vertreter bzw. möchte kein nahestehender Verwandter diese Rolle übernehmen, dann wird ein gerichtlicher Vertreter bestimmt.
Bedeutung für Pflegekräfte
Pflegekräfte stehen oftmals an vorderster Front, wenn es darum geht, den Willen und die Bedürfnisse von Patient(inn)en umzusetzen. Ihr Verständnis für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten trägt entscheidend zur Qualität der Versorgung bei.
- Dokumente kennen und einsehen: Bereits bei der Aufnahme von Patient(inn)en sollte geklärt werden, ob entsprechende Dokumente vorliegen. Der Inhalt muss sorgfältig geprüft und bei der Versorgung beachtet werden.
- Zusammenarbeit mit Ärzten und Bevollmächtigten: Pflegekräfte arbeiten eng mit dem ärztlichen Team sowie den bevollmächtigten Angehörigen oder Vertrauenspersonen zusammen. Im Zweifelsfall helfen interdisziplinäre Gespräche, den Willen des Patienten oder der Patientin korrekt umzusetzen.
- Dokumentation und Kommunikation: Alle Maßnahmen, Gespräche und Entscheidungen müssen sorgfältig dokumentiert werden. Eine transparente Kommunikation mit allen Beteiligten ist unerlässlich, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Ethik und Empathie: Neben der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben ist es wichtig, die emotionale Belastung von Patient(inn)en und Angehörigen sensibel aufzufangen und sie unterstützend zu begleiten.
Typische Situationen im Pflegealltag
In der Praxis ergeben sich häufig Situationen, in denen Pflegekräfte rasch reagieren müssen: Soll eine Reanimation eingeleitet werden? Darf eine lebenserhaltende Maßnahme abgebrochen werden? In all diesen Fällen helfen Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten, den Willen der Patient(inn)en zu erkennen und entsprechend zu handeln. Besonders wenn es um lebensverlängernde Maßnahmen geht, ist die Auslegung des Patientenwillens aber oft schwierig und bedarf einer eingehenden Prüfung. Im Zweifelsfall wird der Schutz des Lebens immer vorgezogen.
Schulung und Weiterbildung
Aufgrund der hohen rechtlichen Anforderungen und der Verantwortung, die Pflegekräfte tragen, ist eine fundierte Aus- und Weiterbildung unerlässlich. Regelmäßige Schulungen zu den rechtlichen Grundlagen, praktischen Abläufen und ethischen Fragestellungen helfen, Handlungssicherheit zu gewinnen und sowohl Patient(inn)en als auch sich selbst vor rechtlichen Konflikten zu schützen.
Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sind unverzichtbare Instrumente, um die Selbstbestimmung von Patient(inn)en auch in kritischen Lebensphasen zu gewährleisten. Pflegekräfte spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie setzen nicht nur die medizinischen Maßnahmen um, sondern wahren auch die Wünsche und Rechte der ihnen anvertrauten Menschen.