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Frauenberuf Pflege: Wo bleibt die Gleichberechtigung?

Frauenberuf Pflege, Männeranteil im Pflegeberuf

Der Pflegeberuf ist weiblich. In den letzten 100 Jahren haben sich kaum Männer in dieses Berufsfeld gewagt. Dabei macht gerade der Pflegekräftemangel es notwendig, mehr Menschen aller Geschlechter für diesen Beruf zu begeistern. Der Männeranteil ist international in den letzten 40 Jahren zwar deutlich angestiegen, es gibt aber noch viel Luft nach oben. Laut WHO sind nur etwa 10% des internationalen Pflegepersonals männlich, 90% sind weiblich.

Österreich im internationalen Vergleich

Den höchsten Männeranteil gibt es in Österreich in der Kurzzeitpflege in stationären Einrichtungen mit etwa 28%. Immerhin etwa 15% des Pflegepersonals der stationären Betreuungs- und Pflegedienste ist ebenfalls männlich. Teilstationäre Tagesbetreuung (6,5%) und mobile Pflege (8,9%) weisen den geringsten Männeranteil auf. 

Insgesamt liegt der Männeranteil bei nichtärztlichem Gesundheitspersonal in Österreich bei etwa 18,5 %. Im internationalen Vergleich sieht die österreichische Statistik gar nicht so schlecht aus, bedenkt man, dass in China nur etwa 1% des Pflegepersonals Männer sind. Nur einige wenige Länder weisen einen Anteil von über 20% männlicher Pfleger auf, z.B. Israel, Italien, Kenia und Saudi-Arabien. Den höchsten Anteil männlicher Pfleger haben einige afrikanische Länder (vor allem in ländlichen Gebieten), gefolgt vom östlichen Mittelmeerraum und Südostasien. Durchschnittlich liegt man in Europa bei einem Männeranteil von etwa 16%.

Geschichte der männlichen Pfleger

Nicht immer dominierten Frauen den Pflegebereich. Die weibliche Konnotation von Pflege hat vor allem mit den Stereotypen nicht-professioneller Care-Arbeit zu tun, welche bereits im Altertum vor allem Frauen zugeschrieben wurde. Später war die Pflegearbeit dann fest in kirchlicher Hand und wurde als Akt der Nächstenliebe betrachtet. Diese Arbeit wurde von Ordensbrüdern, also vorwiegend Männern, und erst später auch von Ordensschwestern betrieben. Die Ordensschwester war dann auch für die Berufsbezeichnung der „Krankenschwester“ ausschlaggebend, welche die öffentliche Sicht auf den Beruf bis ins letzte Jahrhundert prägte. Für Männer war der Titel “Krankenschwester” natürlich nicht erstrebenswert und auch für Frauen sendete er falsche Signale, die der professionellen Arbeit und der mehrjährigen Ausbildung nicht gerecht wurden.

Erst im 18. und 19. Jahrhundert begann die Professionalisierung der Pflege außerhalb der Kirche mit ersten weltlichen Ausbildungsstätten. Vor allem in den Kriegszeiten war Personal knapp. Geistliche Pfleger/innen reichten nicht mehr aus. Es begann also ein Wechsel weg von der Klosterschwester, hin zur professionell ausgebildeten Krankenschwester, die nur ihrem Titel nach noch eine “Schwester” war. 

Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Entwicklung dann mit ersten pflegerischen Studiengängen weiter vorangetrieben. Zu dieser Zeit wurde auch die Bezeichnung „Krankenschwester“ als Relikt der Vergangenheit durch die professionellere und neutrale Bezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ abgelöst. 

Erste Schritte hin zu einem geschlechtsneutralen, anerkannten Pflegeberuf sind also getan. Dieser Wandel braucht allerdings Zeit, bis er in allen Köpfen ankommt.

Warum arbeiten nicht mehr Männer in der Pflege?

Warum möchten nicht mehr Männer im Pflegebereich arbeiten? Umfragen zu Folge, sind es vor allem Stereotype der Weiblichkeit, niedrige Gehälter und ein generelles Desinteresse an dem Berufsfeld. Auch die Angst davor, dass Patientinnen die Berührung männlicher Pfleger als unangenehm oder sexuell übergriffig empfinden könnten, spielt eine Rolle. Zumindest gegen die Stereotypisierung und die Angst davor, abgestempelt zu werden, wenn man als Mann einen Frauenberuf annimmt, kann mit Maßnahmen angekämpft werden. Es gibt zahlreiche Werbemaßnahmen, um Frauen für klassische Männerberufe zu begeistern, aber kaum welche, um Männer in traditionelle Frauenberufe zu bringen. Auch finanziell wird seit einigen Jahren versucht, den Pflegeberuf attraktiver zu machen.

Ein wichtiger Schritt zur Anerkennung männlicher Pfleger ist die geschlechtsneutrale Bezeichnung Pfleger und Pflegerin, anstelle der  klassischen “Krankenschwester” sowie die zunehmende Akademisierung des Berufs. Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger/innen dürfen in ihrer Arbeit mehr Verantwortung tragen und eigenständig handeln. Ihr Wissen und Ihre Fertigkeiten werden anerkannt. Das macht den Beruf attraktiver für alle Geschlechter.  

Was machen Länder mit “hohem” Männeranteil anders?

Nicht alle Länder mit hohem Männeranteil sind als Vorbild geeignet. Saudi-Arabien z.B. weist vor allem unter Einheimischen einen sehr hohen Männeranteil in Pflegeberufen auf. Die Gründe hierfür liegen an den schwierigen Bedingungen für Frauen, welche in vielen Fällen gar nicht die Möglichkeit bekommen, einen Beruf auszuüben. Der hohe Männeranteil ist also eher den nicht am Arbeitsmarkt verfügbaren Frauen geschuldet. 

Anders zeigt sich die Situation in Italien. Hier wurden seitens der Regierung Maßnahmen ergriffen, um Männer vermehrt in Pflegeberufe zu bekommen. Beispielsweise wurden 2007 60.000 Jobs extra für männliche Pfleger gesichert.

Auch in Israel hat man Maßnahmen ergriffen, um den Pflegenotstand vor allem mit neuen männlichen Bewerbern zu bekämpfen. Dafür wurde ein Programm speziell für männliche orthodoxe Juden entwickelt. 

Die Akademisierung des Berufes scheint ein Schlüssel zum Erfolg zu sein. Je höher die Ausbildung, desto mehr Männer sind auch vertreten. Vor allem in Ausbildungen für Führungskräfte ist der Männeranteil hoch. Auch in der Praxis liegt der Männeranteil in Führungspositionen hoch, teilweise sogar bei über 90%.

Welche Maßnahmen kann Österreich umsetzen?

Gezielte Werbemaßnahmen können beim Abbau von Stereotypen helfen und mehr Männer auf den Beruf des Pflegers aufmerksam machen. Pflege ist das größte Berufsfeld der Medizin mit unzähligen sicheren Jobs, die es zu besetzen gilt. Es ist wichtig, dieses Berufsfeld sowohl für Frauen als auch für Männer attraktiv zu gestalten. Diese Arbeit ist nicht weiblich oder männlich, sondern schlichtweg wichtig für unsere Gesellschaft. Jeder benötigt in seinem Leben einmal die Hilfe eines Pflegers oder einer Pflegerin und dabei sollte das Geschlecht keine Rolle spielen.

 

Quellen:

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Prideaux, Antony: Male nurses and the protection of female patient dignity: Nurs Stand, Gloucester, 2010, URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21207825/

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Whiteside, James und Butcher, Dan: Not a job for a man: factors in the use of touch by male nursing staff: British Journal of Nursing, 26.3.2015, URL: https://www.magonlinelibrary.com/doi/abs/10.12968/bjon.

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