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Würdevolle Pflegemaßnahmen bei Demenz

Würdevolle Pflegemaßnahmen bei Demenz

Jeder Mensch hat das Recht auf einen respektvollen Umgang, egal ob er jung oder alt, gesund oder krank ist. Wenn sich Patient(inn)en mit Demenz allerdings uns gegenüber aufgrund ihres geistigen Zustandes respektlos verhalten, uns z.B. beschimpfen oder sogar handgreiflich werden, dann fällt es manchmal schwer, Ruhe zu bewahren und freundlich zu bleiben. Demenz bedeutet sowohl für die Betroffenen als auch für pflegende Angehörige und professionelle Pfleger/innen eine große Herausforderung. Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto mehr sind Betroffene auf eine durchgängige Betreuung angewiesen, die Angehörige oft nicht mehr leisten können. Eine Betreuung im Heim oder eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause wird nötig. Für die Pfleger und Pflegerinnen kann es helfen, wenn sie versuchen, die Krankheit und das Denken der Betroffenen besser zu verstehen.

 

Wie viele Menschen leiden in Österreich an Demenz?

Aktuellen Schätzungen zufolge sind in Österreich derzeit etwa 147.000 Menschen von Demenz betroffen, Tendenz steigend, denn unsere Bevölkerung wird immer älter. Eine gewisse Dunkelziffer ist wahrscheinlich. Der größte Teil der Demenzen, etwa 60-80%, wird durch die Alzheimer-Krankheit ausgelöst. Etwa 15-20% der Erkrankungen gehen auf eine vaskuläre Demenz zurück. Eine Demenz mit Lewy-Bodies betrifft etwa 7-20% der Fälle. Andere Formen der Demenz, etwa durch neurologische oder psychische Erkrankungen, sind selten.
Während das Denken verloren geht, bleibt das Gefühl erhalten.
Menschen mit Demenz verlieren immer mehr die Fähigkeit, logisch zu denken, bis die Krankheit schließlich zum kompletten Verlust von Sprache, Identität und Bewegungsfähigkeit führt. Während der Abbau der Denkleistung aber immer weiter voranschreitet, bleibt die Gefühlswelt der Betroffenen lange erhalten. Diese Personen erleben und fühlen immer noch. In früheren Stadien sind sie oft auch noch mobil und möchten etwas unternehmen. Dieses Wissen ist wichtig für den Umgang mit Demenzkranken und sollte unseren Pflegefokus neben der Grundversorgung auf die Verbesserung der Gefühlswelt der Patient(inn)en legen.

 

Demenzerkrankte im Pflegeheim

Bei einer Übersiedlung in ein Pflegeheim können Demenzpatient(inn)en stark verunsichert werden. Wenn die Gedächtnisleistung bereits stark zurückgegangen ist, dann haben sie jeden Tag das Gefühl, in einer fremden Umgebung aufzuwachen und niemanden zu kennen. Ein Problem ist deswegen auch, dass sie versuchen wegzulaufen, weil sie sich im Heim nicht zu Hause fühlen. Normale Gemeinschaftsangebote und Grundversorgung reichen bei stärker fortgeschrittener Krankheit nicht aus, um Demenzkranke angemessen zu versorgen. Die Pflege erfordert besondere Aufmerksamkeit, Zeit, Einfühlvermögen und Verständnis der Erkrankung. Es ist wichtig, eine beruhigende Routine zu entwickeln, der betroffenen Person zuzuhören und positive Erlebnisse zu fördern.

 

Tipps für den liebevollen Umgang mit Demenzkranken

 

Einfühlsame Routine und Hintergrundwissen

Menschen mit Demenz fühlen sich oft einsam und unzugehörig. Neue Umgebungen und neue Menschen wirken fremd und bedrohlich. Wie können wir es schaffen, diesen Menschen ein Gefühl von Verbundenheit zu geben? Routine, Beschäftigung und positive Stimmungen, ohne Beschuldigungen können helfen. Oft kann der Zugang zu einer demenzkranken Person durch einen emotionalen Bezug zu Tieren, Musik oder rhythmischer Bewegung verbessert werden. Alte Erinnerungen, z.B. mit Fotoalben können vor allem im Anfangsstadium beruhigend auf die betroffene Person wirken, da das Langzeitgedächtnis noch länger erhalten bleibt.
Um Menschen mit Demenz besser zu verstehen, ist es wichtig, ihre Biografie kennenzulernen. Einschneidende Erlebnisse, Ängste und Charaktereigenschaften beeinflussen auch das Verhalten der Betroffenen während der Krankheit. Wenn die Person sich selbst nicht mehr richtig mitteilen kann, dann ist es hilfreich, bei Angehörigen nachzufragen, die die Eigenheiten der Patient(inn)en oft am besten verstehen.

 

Angst, Scham, Zorn und Zügellosigkeit

Der stetige Verlust der Gedächtnisleistung ist den Patient(inn)en anfangs meist bewusst. Er stimmt sie ängstlich oder auch wütend und ist oft mit Scham besetzt. Es ist wichtig, diesen Menschen das Gefühl zu geben, immer noch wertvoll zu sein und immer noch schöne Dinge erleben zu können. Die Person sollte weiterhin in Unternehmungen und Gespräche einbezogen werden, ohne sie zu überfordern. Sie sollte das Gefühl bekommen, dass ihre Meinung immer noch relevant ist und ihre Vergesslichkeit keinen Einfluss auf die Zuneigung und Liebe ihrer Angehörigen hat.
Alte Ängste, Sorgen und irrationales, triebgesteuertes Verhalten können bei Demenzkranken hervorkommen, da sie nicht mehr unterdrückt werden können. Die Impulskontrolle wird immer weiter geschwächt, wodurch es mit fortschreitender Krankheit auch häufig zu aggressivem Verhalten, lautem Schreien oder sexueller Zügellosigkeit kommen kann. Oft ist Demenz mit einem starken Persönlichkeitswandel verbunden, da einstige Moralvorstellungen und Denkmuster verloren gehen. Pfleger/innen müssen sich bewusst sein, dass Aggression und irrationales Verhalten Symptome der Krankheit sind und nichts Persönliches. Wenn man sich an helfende Personen nicht erinnern kann und nicht versteht, warum sie helfen, dann kann man die Pflege schon einmal als Angriff auf die Privatsphäre wahrnehmen. Mit diesem Verständnis fällt es leichter, Beleidigungen von verwirrten Patient(inn)en zu akzeptieren und nicht an sich heranzulassen.

 

Emotion statt Logik

Mit fortschreitender Krankheit geht die Fähigkeit, logisch zu denken, immer mehr verloren. Es hat also keinen Sinn, sich mit erkrankten Personen auf Diskussionen einzulassen und logische Argumente zu bringen, da sie diese oft nicht mehr nachvollziehen können. Alltägliche Gegenstände und Geräusche können Demenzkranken plötzlich Angst machen, da sie sie nicht mehr richtig einordnen können. Wenn es möglich ist, sollte man versuchen, Angstauslöser zu entfernen oder der Person zumindest Verständnis suggerieren und verdeutlichen, dass sie in Sicherheit ist.
Manchmal fühlen sich betroffene Personen auch in frühere Lebenszeiten zurückversetzt und möchten in die Arbeit gehen, ihre Kinder betreuen oder an einen Ort der Kindheit zurückgehen. Logische Argumente können sie nicht von diesen Vorhaben abhalten. Stattdessen sollte man versuchen, sich in die aktuelle gedankliche Lage der Person zu versetzen und auf dieser Ebene zu antworten. Wenn sich die Person gerade wie ein Kind fühlt, dann sollte auch die Antwort darauf angepasst sein.

 

Negative Gefühle vermeiden

Demenzkranke können nicht mehr aus Fehlern lernen oder verstehen, warum sie etwas falsch gemacht haben. Man sollte die erkrankte Person nicht korrigieren oder dazu anhalten, ihr Gedächtnis besser zu trainieren, da dies nicht möglich ist. Statt einer offenkundigen Korrektur, können vergessene Inhalte unauffällig mehrmals in Gespräche eingebunden werden. So fühlt sich die betroffene Person nicht bloßgestellt.
Aus Scham oder weil sie sich einfach nicht mehr an das Ereignis erinnern können, finden Demenzpatient(inn)en auch immer wieder Ausreden für ihr Verhalten. Diese sollten einfach akzeptiert und nicht weiter kommentiert werden, auch wenn sie noch so absurd klingen. Wenn wir eine erkrankte Person auf ihre Unzulänglichkeiten hinweisen oder schimpfen, dann fühlt sie sich beschämt und wird sich weiter verschließen. Positive Verstärkung und Lob können den Betroffenen jedoch helfen.

 

Klammern verstehen

Demenz-Erkrankte klammern sich häufig an ihre Bezugspersonen, da sie Angst haben, diese auch noch zu verlieren oder sie zu vergessen. Es kann sehr anstrengend sein, dieses Klammern zu akzeptieren. Es ist wichtig, immer darauf hinzuweisen, dass man wiederkommt und dass jemand anderer da ist, der sich kümmert. Bezugspersonen sollten auch im Pflegeheim möglichst gleich bleiben und nicht gewechselt werden.

 

Schwierige Situationen meistern

Sollte eine schwierige Situation auch mit Ruhe nicht lösbar erscheinen, dann kann es helfen, der erkrankten Person zu versichern, dass man wiederkommt und kurz den Raum zu verlassen. Oft haben die Patient(inn)en danach bereits vergessen, warum sie sich aufgeregt haben und das Gespräch kann erneut beginnen. So kann man dann versuchen, den Auslöser der Aggression oder Angst ausfindig zu machen. Dabei sollte auch auf die Körpersprache geachtet werden, um z.B. Schmerzen oder angstauslösende Gegenstände zu erkennen, die die Person selbst nicht mehr nachvollziehen kann.

 

Bei der Pflege von Demenzkranken ist es wichtig, selbst einen kühlen Kopf zu bewahren und den Patient(inn)en Sicherheit zu suggerieren. Genügend Freizeit und der Austausch mit Kollegen hilft dabei, die Erlebnisse mit Demenzpatient(inn)en besser zu verarbeiten und die eigene Gefühlswelt nicht überzustrapazieren.

 

Quellen:
Bundesministerium für Gesundheit Deutschland: Online-Ratgeber Demenz, 2023, URL: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-demenz.html

Czypionka, Thomas: Pressemitteilung zum Welt-Alzheimer-Tag am 21.9.: Demenz in Österreich fordert die gesamte Gesellschaft, Institut für höhere Studien, Wien, 2021, URL: https://www.ihs.ac.at/about/public-relations/press-releases/welt-alzheimer-tag-demenz-in-oesterreich-fordert-die-gesamte-gesellschaft/

Österreichische Alzheimer Gesellschaft: Zahlen & Statistik, URL: http://www.alzheimer-gesellschaft.at/informationen/zahlen-statistik